Wenn z.B. ein 10-jähriger Junge mit einem Ekzem an Armen, Beinen, Po nach erfolglosen Therapieversuchen von Hausarzt und Facharzt nach einigen Behandlungen bei mir seit 2 Jahren beschwerdefrei ist,…
Das ist ja noch kein Beweis für die Wirksamkeit einer Behandlung. Ich gehe mal davon aus, dass du ein atopisches Ekzem meinst. Die treten schubweise auf (teilweise haben die Betroffenen über Monate oder Jahre beschwerdefreie Phasen) und heilen in 80 % der Fälle sogar spontan aus. Es gibt also mehrere mögliche Erklärungen:
1. Du hast geheilt, wobei die Erkrankung mindestens 5 Jahre lang ausgeheilt bleiben sollte um wirklich von einem Langzeiterfolg sprechen zu können.
2.Der Patient befindet sich in einer beschwerdefreien Phase.
3. Die vor deiner Behandlung begonnen schulmedizinischen Therapie hat mit zur Symptombesserung / -freiheit beigetragen.
Es ist alles, wie die Annahme der Mutter bezüglich des gut angelegten Geldes, Spekulation was nun wirklich zur Genesung des Jungen geführt hat. Im Gegensatz zu der von dir beschriebenen betroffenen Familie ist es den tausenden von Neurodermitikern weltweit nicht egal was nun geholfen hat. Sie wollen es nämlich WISSEN um auch für sich das Beste herauszuholen. Nicht jeder kann sich aus finanziellen Gründen erlauben einfach ins Blaue herumzuexperimentieren und zu hoffen, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat.
…mit zwei Tage altem Kaffee heilen…
OK, ein anderes Beispiel aus den Kriminalwissenschaften, die trotz der essentiellen Beteiligung medizinischer Wissenschaftler, als solche in der Gesellschaft in der Regel akzeptiert wird. Hier ist es selbstverständlich, dass eine Verurteilung nur nach ausreichender objektiver Faktenlage möglich ist (Gentest, Fingerabdrücke, etc.). Die subjektive Einschätzung und der Verdachtsmoment zählt hier weniger, denn fehlen die objektiven Beweisgrundlagen gilt ja bekanntlich der Grundsatz: In dubio pro reo.
Gebe es eine „alternative Kriminalpolizei“ würde es wahrscheinlich so aussehen, dass man durch nicht oder spärlich untersuchte Verfahren wie z.B. auspendeln, etc., den z.B. des Mordes bezichtigten Tatverdächtigen finden und festnehmen würde. Hört das Morden danach auf, würde dies dann als Bestätigung für die Verhaftung des richtigen Täters gelten. Schließlich ist das Ziel einer Kriminalitätssenkung und der Beruhigung der Bevölkerung ja erreicht. Das Warum (echte Täter könnte Land fluchtartig verlassen haben, ist verstorben oder hat spontan aufgehört zu morden, etc.) ist ja bekanntlich sekundär. Für den einen Fall mag das ja gelten. Nur ob das angewendete Verfahren in Zukunft nochmal so glimpflich für das Wohlergehen der Bevölkerung ausgehen würde, bleibt dann nun mal offen.
von Einzelfällen und Spontanheilungen kann keine Praxis existieren.)
Naja, bei Neurodermitis liegt die Spontanheilungsrate nach Literaturangaben bei ca. 80%. Außerdem ist „Heilung“ ein sehr dehnbarer Begriff. Was ich als Allergiker unter Heilung verstehe, wäre für einen etwas wehleidigeren Nichtatopiker vielleicht schon ein Grund während des Frühjahrs nicht mehr das Haus zu verlassen. Einen „Placeboeffekt“ gibt es ja in ähnlicher Wiese auch beim Behandler, schließlich interpretiert und sieht der Mensch nur das, was er sehen will. Deswegen werden Studien nicht nur einfach sondern auch doppelt verblindet durchgeführt.
Es ist in meinen Augen schon paradox, dass im Gegensatz zur Medizin, in ziemlich allen Lebensbereichen eine wissenschaftliche nachgewiesene Grundlage verlangt und akzeptiert wird. Um z.B. bei dem ersten offiziellen Jungfernflug des neuen zweistöckigen Airbus dabei sein zu dürfen, haben sich die Leute nur so darum geprügelt und mit Geldscheinen um sich geworfen.
Hier hat keiner nach Langzeiterfahrungen, die mit diesem Flugzeugtyp gemacht wurden gefragt. Oder nach den Interessenskonflikten der Airbusingenieure, die das Projekt geleitet haben. Das Argument, dass ja ein Flugzeugabsturz sofort über die Medien zum finanziellen Problem des Herstellers führen können, zählt nicht. Denn einen zweiten Contergam- oder Lipobayskandal kann sich die Pharmaindustrie nämlich genauso wenig erlauben.
Meiner Meinung nach dienen die meisten Studien heute Marketingzwecken.
Das ist eine falsche Verallgemeinerung. Ich bin selbst wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Forschungsgruppe und kann deine Aussage absolut nicht bestätigen. Es gibt in unserem Arbeitskreis keinen einzigen der auch nur annähernd etwas von BWL versteht oder sich ansatzweise damit beschäftigt. Es gibt außerdem nichts rufschädigenderes (siehe z.B. die Leipziger Homöopathiestudie), als von anderen anerkannten Wissenschaftlern als Stümper entlarvt zu werden. Außerdem veröffentlichen die seriösen Medizinjournale ungerne schlechte Studien, da sowas ganz schnell auch mal deren guten Ruf schädigen kann.
Welcher Arzt (oder HP) nimmt sich denn die Zeit und prüft wirklich die Daten, selbst wenn er Kenntnisse in Statistik hat?
Die GKV z.B., die daran interessiert ist nur Leistungen zu bezahlen, die auch wirklich zur Genesung und damit zu einem möglichst kostenarmen Zustand des Patienten führen. Arbeitsgruppen dessen Aufgabe es ist, die bestmöglichste Therapie in die entsprechenden Leitlinien einzufügen. Medizinzeitschriften wie „The Lancet“ oder „The New England Journal of Medicine“, dessen Medizinjournalisten sich den ganzen Tag nur mit wissenschaftlichen Themen beschäftigen. Das einem „normalen“ Arzt die Zeit dazu fehlt ist durchaus nachvollziehbar. Deswegen geben ja die entsprechenden Verbände die sich mit wissenschaftlichen Daten beschäftigen ihre neusten Erkenntnisse in deren Leitlinien heraus, damit sich der praktische Arzt voll und ganz mit dem aktuellstem Wissen auf dessen Anwendung am Patienten konzentrieren kann.
Ich habe mich zum Thema Studie auch mit Wissenschaftlern unterhalten, die in diesem Bereich forschen. Die meisten stehen auf dem Standpunkt, dass es sinnlos ist, mit Studien Anerkennung zu erwarten. Hier geht es um etablierte Weltbilder
Dann hast du mit der nicht repräsentativen Minderheit unterhalten.
Was würde so was kosten? Die meisten Akteure in diesem Bereich sind kleine mittelständische Unternehmen oder Verbände.
Wer finanziert denn diese alternativmed. Lehrstühle z.B. an der Uniklinik Essen oder in Berlin? Es scheinen doch einige finanzielle Möglichkeiten vorhanden zu sein.
Wenn es so ist, dass eine vorgetäuschte Knie-Op fast die gleiche Wirksamkeit hat, wie eine lege arts durchgeführte - wie sieht es da mit den Kosten fürs Placebo und den Risken aus?... Was ist damit?
Wenn dies der Fall sein sollte, fliegt eine solche Anwendung in der Regel aus den Therapierichtlinien raus.
Nehmen wir mal an, es gäbe eine gute, seriöse - nach anerkannten Kriterien erstellte - Studie, die, sagen wir mal, belegen würde, dass die Wirkung eine Homöopathikas deutlich über die des Placebos liegen würde. Würdest Du diese Studie akzeptieren - oder warten, bis jemand eine Gegenstudie publiziert?
Eine gute Studie gibt „Hoffnung“, mehrere gute Studien dagegen „Gewissheit“. Ich möchte nicht an den Patienten blind mit irgendwelchen Vermutungen herumexperimentieren, sondern will ihnen geradeaus die zurzeit beste und effektivste Therapie anbieten die es gibt, um ihnen zu helfen. Wenn es die Homöopathie wäre, würde ich es als neue Herausforderung ansehen, mich mit ihr zu beschäftigen. Zurzeit ist das jedoch alles andere als Wahrscheinlich.
Guß