Ein Alter von 45 oder mehr ist sicher kein Hindernis. Im Gegenteil, viele Patienten sind jungen Therapeuten gegenüber misstrauisch ("hat der/die denn genug Erfahrung..?"). Wichtig sind fundierte Kenntnisse in den Bereichen, in denen man sich betätigen möchte - und damit meine ich auch Erfahrungen. Leider schreibt der Gesetzgeber keine Praktika vor, was ich für den größten Mangel in dem Ausbildungsweg halte (auch wenn man natürlich so schnell wie möglich anfangen will...). Aber ohne mein Praxisjahr in einer Heilpraktiker-Klinik und mehreren Praxen wäre ich bei meiner Praxisübernahme 1989 gnadenlos untergegangen. Es ist ja nicht so, dass die Leute nur mit Bagatellsachen kämen. Viele haben schon Ärzte und andere Heilpraktiker "ausprobiert" und kommen nun zu dem/der Neuen, in der Hoffnung, hier nun Hilfe zu bekommen. Daher rate ich grundsätzlich dazu, eine Assistenzzeit nach der Prüfung zu machen oder wenigstens für einige Zeit zu hospitieren. Einfach, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was in der Praxis auf Dich zu kommt.
Das Finanzielle ist sicher ein großes Problem. Als ich mich auf die Prüfung vorbereitete las ich in einer Fachzeitschrift einen Artikel einer erfahrenen Kollegin, die meinte, man müsse für eine neue HP-Praxis die gleichen Kosten ansetzen, wie für eine Allgemeinarztpraxis. Das waren damals (1988) rund 180.000 DM. Entweder für die Übernahme einer gut laufenden (!) Praxis oder für den Aufbau und die Anlaufzeit einer neu gegründeten. Das habe ich damals nicht glauben wollen, denn des Geld hatte ich auch nicht. Aber heute sage ich: Sie hatte recht. Ich hatte dann eine Praxis übernommen (für deutlich weniger Geld), weil ich in meinem damaligen Beruf weder hätte Teilzeit arbeiten können, noch abends Energie für Patienten gehabt hätte. Nach einiger Zeit wusste ich dann, warum die Praxis günstiger war: Der Kollege hatte sie einige Jahre vorher auch übernommen und runtergewirtschaftet. Und ich habe sie nicht mehr hochbekommen, bevor mir das Geld ausging, denn ich hatte ja damit gerechnet, gleich davon leben zu können. Ja, ich war damals ziemlich naiv und das hat sich gerächt. (Meine heutige Praxis habe dann mit ganz anderen Überlegungen gestartet - und das hat dann funktioniert. Aber da hatte ich auch bereits einen anderen freien Beruf, den ich nach und nach reduzieren konnte, so dass ich in der Praxis keinen Druck hatte. Und das war sehr wichtig, denn ein Heilpraktiker, der ständig nur ängstlich aufs Monatsende schielt, weil das Geld wieder nicht reicht, kann nicht wirklich gut arbeiten.)
Du musst ja, wenn Du Vollzeit einsteigst, Deinen ganzen Lebensunterhalt UND die Kosten für die Praxis für - Monate bis Jahre - finanzieren können. Man geht davon aus, dass es 5 Jahre dauert, bis eine neue Praxis wirklich läuft - wenn man alles richtig macht. Hat man das Geld dafür nicht, bleibt nur der nebenberufliche Einstieg, der aber auch nicht so einfach ist. Hier muss man sich selbstkritisch fragen: Habe ich - neben meinem normalen Beruf, den ich für den Lebensunterhalt brauche - noch genug Energie, um beispielsweise nach Feierabend noch Stunden in der Praxis zu arbeiten? Oder Samstags? Und statt Urlaub? Verdiene ich mit meinem "Brotberuf" genug, um die Praxiskosten (Miete, Versicherungen, Telefon, Strom, Fortbildung, Anschaffungen usw.) zusätzlich zu meinem normalen Lebensunterhalt zu decken? Habe ich ggf. die Möglichkeit, meinen derzeitigen Beruf - wenn die Praxis mal anläuft - nach und nach zu reduzieren?
Ich möchte Dir keine Angst machen, aber ich habe zu viele scheitern oder zu "Hobby-Heilpraktikern" schrumpfen sehen, die dachten, wenn ich mich berufen fühle, wird mir das Universum schon helfen. Glaub mir, das Universum wird nicht helfen, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen.
Du brauchst eine realistische Einschätzung Deiner Möglichkeiten - und musst Dich danach richten. Dazu gehört auch, zu schauen, welche Therapien Dir liegen UND ob für die ein Markt da ist. Wie kannst bzw. willst Du für Dich werben? Was bietest Du Deinen Patienten (warum sollen sie gerade zu DIR kommen?)?
Es kommt auch darauf an, wo Du lebst. In größeren Städten gibt es beispielsweise Therapeutenzentren, wo man auch stundenweise Räume belegen kann. Auf dem Land ist das nicht möglich. Vielleicht ist eine Hausbesuchspraxis (ohne eigene Räume) erst einmal eine Möglichkeit, wenn Du entsprechende Therapien beherrschst? Oder Du schaust, ob es vielleicht Hotels etc. gibt, die Heilpraktiker im Wellnessbereich beschäftigen?
Manchmal muss man um die Ecke denken und auch Umwege gehen.