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Dürfen Therapeuten viele psychische Baustellen haben?

kidchriss

Bekanntes Mitglied
Heilpraktiker
Therapien
Systemische Therapie
Status
HPP
Hallo Ihr Lieben,

im Moment bin ich viel auf Weiterbildung und mir fällt durchgängig etwas auf. Anfangs sagt jeder, er hätte keine gröberen "Baustellen" mehr und wäre gut geklärt. Sobald dann ein oder zwei dabei sind, welche ehrlich dazu stehen (dass noch einiges an Klärungsbedarf herrscht), zeigt plötzlich jeder seine Probleme.

Also nicht, dass ich das jetzt verurteilen würde. Ich nehme in den Gruppen immer ein wenig Schamgefühl wahr, daß man das als Therapeut ja nicht nötig hätte. Ich persönlich habe noch ganz schöne Baustellen, obwohl ich schon seit 15 Jahren intensiv an mir arbeite. Ich meine mit Baustellen nicht psychiatrische Krankheiten, sondern einfach immer wieder mal Ärger im zwischenmenschlichen Bereich.

Es ist doch immer eher verpöhnt (noch Baustellen zu haben), da man ja dann angeblich so schnell zur Projektion neigen würde. Wie seht Ihr das?

Ist an dem Klische was dran, dass jeder Therapeut auch irgendwo seine Lieblingstherapie hat um sich selbst weiterzuhelfen?

Ich stelle diese Fragen jetzt einfach mal, weil in den Ausbildungsgruppen kaum offen darüber gesprochen wird.

Viele Grüße Tina
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hllo Tina,

es kommt sicher auch ein wenig darauf an, welche Art Ausbildung Du machst.
Ich habe es schon erlebt, dass in einem Seminar zum Thema "Umgang mit schwierigen Kollegen und Vorgesetzten" drei Leute aus einer Abteilung saßen, die am ersten Tag über die Harmonie in der Gruppe schwärmten und die sich am zweiten Tag dermaßen in die Wolle gekriegt haben, dass die fast handgreiflich geworden wären.

Von einem Therapeuten erwarte ich, dass er seine offenen Baustellen kennt und sich derer nicht schämt.

Ob Deine Theorie stimmt, dass jeder Therapeut die Therapie wählt, die ihm selber hilft, kann ich nichts sagen. Ich habe Hypnosetherapie als mein Lieblingsgebiet gewählt, weil mich das Thema fasziniert hat.
Das es mir helfen könnte, daran habe ich in erster Linie nicht gedacht.

Darf man fragen, was Du gerade machst?

Gruß
Holger
 
Hallo Holger,

Dein Statement gefällt mir:

"Von einem Therapeuten erwarte ich, dass er seine offenen Baustellen kennt und sich derer nicht schämt".

Ich bin seit längerer Zeit in Ausbildung Systemische Therapie bei einem Psychiater und die zweite Ausbildung ist EMDR.

Liebe Grüße Tina

PS: Stell mir das Handgemenge grad bildlich vor....;)
 
Hallo Tina

Dem Satz von Holger
Von einem Therapeuten erwarte ich, dass er seine offenen Baustellen kennt und sich derer nicht schämt.
stimme ich zu, möchte aber noch hinzufügen das ich zusätzlich erwarte das er sie (die Baustellen) bearbeitet. Wie er das macht hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Außerdem möchte ich noch Folgendes sagen:

Wir alle sind Menschen. Und Menschen haben Sorgen, Probleme, Streß, Kummer und sind traurig, genauso wie sie glücklich, fröhlich und auch albern sind. Das ist menschlich - gehört zum Mensch sein dazu. Ein Mensch der diese Emotionen und Probleme nicht kennt, durchgemacht hat und macht, ist kein Mensch - sondern ein Heiliger :) . Es gibt bestimmt nicht viele Heilige unter uns ;) . Eben weil wir Menschen sind ......

Und das macht einen guten Therapeuten aus - das er menschlich ist. Wäre er ein Heiliger wäre es auch toll :), aber ich denke das ein Heiliger nicht so nah dran ist an den Sorgen und Nöten der Menschen. Er könnte natürlich aufbauen, trösten, sagen was der Mensch machen oder nicht machen soll, was er ändern muß .... aber das gesagte hätte eine andere Energie, eine andere Qualität, eben weil es keine Erfahrungswerte sind. Ich weiß nicht so recht wie ich es in Worte fassen soll, aber ich glaube du verstehst was ich meine.

Nehmen wir z.B. einen Alkoholiker. Er hat es geschafft und ist trocken. Er hat einen langen Leidensweg hinter sich ... nun ist er gestärkt und erfahren, er hat eine gewisse Weisheit erlangt. Wer wäre besser geeignet anderen Alkoholikern zu helfen als er?

Wir sollten stolz auf unsere Baustellen sein, und stolz darauf sie zu kennen und zu bearbeiten - und dann das Kapitel zu schließen. Diese Baustellen sind unser Kapital, denn sie führen uns zu den Lösungen. Und wir wachsen an ihnen. Ob als Patient, Klient oder Therapeut.
 
Hallo Tina,

durchstandene und aufgearbeitete eigene Krisen sind auf jeden Fall wichtiges Kapital, Lebenserfahrung ist von Vorteil :D

Ich stimme mit Holger und Kati überein: Offene Themen hat jeder Mensch, somit auch jeder Therapeut... allerdings sollte man sie schon kennen und daran arbeiten.
Irgendwie finde ich einen Therapeuten, der von sich behauptet, keine eigenen offenen Themen mehr zu haben, ziemlich unglaubwürdig ... und anmaßend noch dazu ;)

Alte grundsätzliche eigene Themen werden sich m.E. sowieso - auch durch Therapie - nicht wirklich "auflösen" (bei uns genauso wenig wie bei unseren Klienten) und uns deshalb immer wieder begegnen, auch in unserer Arbeit - wir kommen also gar nicht darum herum. Wir blicken nur je nach "Reife" aus
einem anderen Blickwinkel darauf und können hoffentlich dadurch, dass wir daran gearbeitet haben und ggf. noch arbeiten, immer besser und v.a. wacher damit umgehen. Man kann das Klienten auch so direkt sagen, dann nimmt man ihnen schon den Druck, alles unbedingt loswerden zu müssen.....


Wichtig ist es die eigenen Themen gut im Blick zu haben ... und immer wenn sie uns im Gegenüber begegnen, ganz besonders genau hinzuschauen und nachzuspüren: was ist seins, was ist meins.... gleiches Thema heißt ja nicht gleiches Erleben und was für mich eine gute Lösung wäre bzw. war, kann für ihn ganz unpassend sein. Es muss uns als Therapeuten möglich sein, auch bei aller persönlichen Berührtheit Distanz zu bewahren, sonst kann man nicht hilfreich arbeiten. Man muss schon aufpassen, dass man nicht im Gegenüber sich selbst heilen will. Wenn man merkt, dass es nicht gelingt, eine "gesunde" Distanz zu wahren, ist die Supervision eine wichtige Hilfe, wenn es trotzdem nicht gelingt, sollte man den Klienten abgeben und ihm auch ehrlich sagen warum, damit er das nicht auf sich bezieht.

Das Thema "Übertragung und Gegenübertragung" spielt im therapeutischen Prozess immer eine große Rolle, auch in Verfahren, die nicht so sehr auf diesen Punkt achten.
Wenn man ganz präsent sein möchte - und das ist wirklich schwierig und anstrengend - ist man in der therap. Arbeit gleichzeitig beim Klienten, bei sich selbst und
beobachtet auch noch die Beziehungsebene.... das wäre zumindest das Ideal ;)

Zu diesem Thema sind die Bücher / Romane von Yalom ganz spannend und aufschlussreich - noch dazu sind sie sehr gut und unterhaltsam.

Liebe Grüße von Pia
 
Hallo Ihr Lieben,

schöne, menschliche Worte!!!!!!!! Ich danke Euch. Das hat richtig gut getan. So wie Ihr, sehe ich das auch. Und ja, es gibt tatsächlich Theapeuten die sich hinstellen und sagen sie wären jetzt soweit und endlich bei sich angekommen. Ich bin da immer kritisch. Ich denke daß man phasenweise wirklich bei sich sein kann, bei sich angekommen ist. Aber wenn eben, so wie Pia schreibt, so ein ganz altes Thema berührt wird, kann es einfach passieren dass die Mitte schnell verloren gehen kann. Und wenns nur für einen Augenblick ist. Es beruhigt mich, daß Ihr erfahrenen "alten Hasen", auch nicht "perfekt" seid. Eure Zeilen gefallen mir.

Liebe Grüße von Tina
 
Es beruhigt mich, daß Ihr erfahrenen "alten Hasen", auch nicht "perfekt" seid./QUOTE]

:D:D Da ich - wie ihr wisst - ja mit einem "richtigen Psychotherapeuten" ;) verheiratet bin und wir im Freundeskreis bzw. weitläufigen Bekanntenkreis
einige Psychotherapeuten haben (HPPs und "richtige" ) kann ich dir garantieren: die haben ALLE ihre Themen / Macken, so wie du und ich auch :cool:

Liebe Grüße von Pia
 
Wer das Wort 'perfekt' gegenüber Menschen in den Mund nimmt ist durchgefallen und für soziales Bewusstsein unbrauchbar,
jeder Mensch bekommt immer wieder schwierige Situationen im Umgang, bewältigt Krisen aufs Neue, sonst lebt er nicht.
Nur ein toter Mensch ist, was Bewältigung der Lebensaufgabe angeht, perfekt, am Ende und fertig.
Wer an Reinkarnation glaubt braucht womöglich viele dieser Lebensprozesse bis sich Erfüllung einstellt.
Jedoch sollte ein Therapeut gegenüber dem Klienten Sicherheit, Gelassenheit und Fähigkeit in der Bewältigung von Krisen
hin zu einer gut verträglichen Lösung ausstrahlen und im Besitz dieser emotionalen Klarheit gegenüber dem Chaos sein,
auch und vor allem zuerst bei sich selbst.
 
Hallo Tina

Dem Satz von Holger stimme ich zu, möchte aber noch hinzufügen das ich zusätzlich erwarte das er sie (die Baustellen) bearbeitet. Wie er das macht hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Nehmen wir z.B. einen Alkoholiker. Er hat es geschafft und ist trocken. Er hat einen langen Leidensweg hinter sich ... nun ist er gestärkt und erfahren, er hat eine gewisse Weisheit erlangt. Wer wäre besser geeignet anderen Alkoholikern zu helfen als er?

Wir sollten stolz auf unsere Baustellen sein, und stolz darauf sie zu kennen und zu bearbeiten - und dann das Kapitel zu schließen. Diese Baustellen sind unser Kapital, denn sie führen uns zu den Lösungen. Und wir wachsen an ihnen. Ob als Patient, Klient oder Therapeut.

Hmm.. Als ehemaliger Alkoholiker ist es erlaubt die HPP Prüfung zu machen. Was ist mit einem nassen Alkoholiker der allerdings nur 2 oder 3mal die Woche wenig trinkt. So wenig, dass er nicht sonderlich berauscht ist. Dürfte er die Prüfung machen?

Und was ist mit dem trockenen Alkoholiker der rückfällig wird? Nehmen wir mal an, dass er sich auf der Arbeit "zusammenreißen" kann, zu Hause jedoch jeden Abend 5 Bier trinkt?
Darf er weiter als HPP tätig sein solange er seine Arbeit gut macht und er da "nüchtern" ist?
Wer entscheidet das?

Das medizinische Attest besagt ja "Suchtfrei", obwohl es sicherlich einige HPP und HP Raucher gibt. Da hört die Suchtfreiheit dann schon wieder auf...
Lg C.
 
Ich habe noch nie gelesen, dass bei dem für die Zulassung zur Überprüfung notwendigen ärztlichen Attest explizit Sucht-Freiheit genannt werden muss. In den mir bekannten Durchführungsverordnung heißt es nur, dass derjenige in körperlicher und geistiger Hinsicht für den Beruf geeignet sein muss, worüber ein Attest vorzulegen ist.

Ob der jeweilige Arzt, der das Attest ausstellt, etwas über eine frühere Alkoholerkrankung weiß oder über den aktuellen Alkoholkonsum informiert ist, kann man nur im Einzelfall betrachten. Sollte er dies als KO-Kriterium sehen, wird er das Attest natürlich nicht ausstellen.

Deine Frage nach dem „Darf“ muss man differenziert betrachten: einmal im berufsrechtlichen und einmal im ethischen Zusammenhang.

Berufsrechtlich wird es dann kritisch, wenn derjenige beispielsweise seinen Führerschein wegen erheblichem Alkoholgenuss verliert und sich somit die Frage der Zuverlässigkeit stellt. In dem Fall kann es rein theoretisch eine Vorlage bei der Kommission geben, die dann über den Fortbestand der Erlaubnis zu entscheiden hat. Das gleiche gilt natürlich, wenn er gegenüber Patienten z.B. durch mangelnde Sorgfalt auffällig wird.

Aus ethischen Gründen muss man hier natürlich schon deutlich früher die Grenze ziehen. Alkohol wirkt wesensverändernd. Inwieweit der Alkoholiker-Therapeut beispielsweise in der Lage ist, Übertragung und Gegenübertragung wahrzunehmen kann man sicher nicht pauschal beantworten.

Letztlich gilt das ja für jeden Beruf, insbesondere für Berufe im Gesundheitswesen. Mir sind aus den vergangenen Jahrzehnten einige Ärzte, sogar Chirurgen, bekannt, die lange Jahre in ihrem Beruf weitergearbeitet haben, obwohl schwerer Alkohol- und/oder Medikamentenmissbrauch betrieben wurde. Einige ihrer Kollegen und andere Mitarbeiter wussten das – gesagt hat da in der Regel niemand etwas. Manche haben die Kurve gekriegt, andere sind untergegangen und aus dem Beruf ausgeschieden.
 
also die Eingangsfrage ist eine sehr gute Frage, die ich mir auch selber gestellt habe.
Keiner von uns ist aus Stahl und Eisen. Es ist doch auch gut so, denn sonst könnten wir uns ja nie weiterentwickeln.Und wir werden auch weiterhin an gewissen Themen im Leben zu knabbern haben. Dafür sind wir ja Mensch.
Ich denke es geht darum drüberstehen zu können ohne auf den Patienten zu projizieren. :)
Die Fähigkeit drüber zu stehen ohne sich gleich mitnehmen zu lassen ist wichtig. Sonst könnte man ja gar nicht als Therapeut arbeiten... :)
 
Die Fähigkeit drüber zu stehen ohne sich gleich mitnehmen zu lassen ist wichtig. Sonst könnte man ja gar nicht als Therapeut arbeiten... :)
Das bedeutet hingegen ständige Arbeit an sich selbst und seinen eigenen Baustellen, gerade als Therapeut. Wir dürfen das nicht vergessen.
 
sonst würde man sicherlich nicht freiwillig so viel Energie und Herzblut hineininvestieren denke ich, wenn man das nicht machen wollen würde...die permanente Selbstreflexion...
 
Permanente Selbstreflexion hilft manchmal nicht weiter. Ein fachlicher Blick von Außen hilft oft, die eigenen Schatten und die blinden Flecken zu erkennen, anzusprechen und anzugehen. ;)
 
Stimmt. Es gibt immer wieder Momente, da brauche ich Hilfe zur Selbsthilfe.
Andererseits kann ich als Therapeut dennoch sehr viel selber abfangen - mehr als Otto-Normal vermute ich - wenn ich in gutem Kontakt zu mir selber stehe
Gute Selbstwahrnehmung ist das A und O
 
oh ja...eine gute Freundin ist HPPsych...Sie hatte mir schon während der Vorbereitungen auf die Amtsarztprüfung sooo gut geholfen...
aber auch die Weiterbildung nach der Prüfung in Traditioneller Heilkunde war schon nicht ohne...Wir hatten einen Dozenten ...der spiegelte dich gnadenlos...puuh
 
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