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Erst die Euphorie, dann die Ernüchterung. Soll ich es machen?

Kaius

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

mein Name ist Kai, ich bin 34 Jahre alt und arbeite als examinierter Krankenpfleger seit 11 Jahren in der Akutpsychiatrie. Nebenbei arbeite ich seit ein paar Monaten in der Ambulanten Psychiatrischen Pflege (APP) und habe überlegt, wie ich mich beruflich weiterentwickeln kann.
Schließlich bin ich bei der Idee gelandet, meine umfangreichen Erfahrungen mit psychiatrischen Erkrankungen, psychotherapeutischen Ansätzen und vielem, was noch in das Gebiet fällt, konstruktiv einzusetzen, und eine Lücke im hiesigen psychotherapeutischen Angebot zu füllen. Doch je mehr ich mich mit dem Thema befasse, desto mehr Fragen kommen auf. Zunächst fand meine Frau die Idee ganz gut, hat sich aber auch informiert und mir gleich den Wind aus den Segeln genommen.

Frage 1: Wenn ich HPP bin, was darf ich dann nicht im Gegensatz zu einem vollwertigen HP? Warum sollte ich nicht direkt die Prüfung zum HP machen? Kann ich damit nicht alles über einen Kamm scheren?

Frage 2: Meine Frau meinte, ich dürfte etliche Therapien nicht einfach so anbieten, sondern müsste Nachweise haben, dass ich in dieser oder jener Thematik geschult bin. Es geht da um psychologische Beratung, Konfliktberatung, Alltagsbewältigung, Dialektisch Behavoriale Therapie, Angstmanagement, Psychoedukation, Aromatherapie, Pflegeberatung für Angehörige und Betroffene und so weiter, was halt alles so die Bereiche tangiert von Menschen, die psychisch krank sind, in Lebenskrisen stecken oder beraten werden wollen, jemanden zum Sprechen brauchen.
Kann ich einfach alles machen, oder brauche ich für jedes Themengebiet einen Nachweis meiner Kompetenz. Oder muss ich es im Zweifelsfall einfach nur anders nennen, von dem Begriff "Therapie" weggehen?

Frage 3: Jemand meinte, wenn man bestimmte Therapien in seinem Ort anbietet, könne es da zu Konflikten mit anderen Therapeuten geben, weil jeder sein eigenes Hoheitsgebiet hat bzw. man das dann einfach nicht anbieten dürfte, sogar offiziell. Kann so etwas sein?

Ich hoffe, ihr könnt mir schon mal etwas weiterhelfen.

Allerbesten Gruß,
Kai
 
Hallo Kai,
willkommen im Forum :)

Zu Deinen Fragen:
  1. HPP ist „Heilpraktiker, beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie“. Also darf er mit Methoden der Psychotherapie alle Erkrankunen behandeln, bei denen Psychotherapie indiziert ist.
    Der HP darf das alles auch (und natürlich auch somatische Erkrankungen behandeln), tut es meist aber nicht, weil sich dessen Ausbildung - und Überprüfung - eher an somatischen Erkrankungen ausrichtet.
  2. Grundsätzlich darf man alle Therapien anbieten. Es gibt allerdings ein paar gesetzliche Beschränkungen, die sich beispielsweise aus dem Arzneimittelrecht, dem Hebammengesetz etc. ergeben. Für den HPP gibt es nahezu keine Einschränkung.
    Für alle gilt: es gibt eine gesetzliche Sorgfaltspflicht. Aus der ergibt sich, dass man - eigentlich selbstverständlich, wie ich finde - nur die Therapien anbieten darf, die man auch beherrscht. Wie man zu der Fachkenntnis kommt, ist gesetzlich nicht geregelt. Allgemein gilt aber: eine fundierte Ausbildung mit Bescheinigung macht es anderen auch verständlich, dass man in einer Disziplin ausgebildet wurde. Im Fall des Falles - also spätestens dann, wenn etwas schief geht - muss man darüber auch den Nachweis führen können.
    Das gilt in gewisser Weise auch für Beratung. Beherrscht der Berater (nicht Behandler!) sein Fach nicht, macht er sich aus dem Dienstleistungsvertrag schadenersatzpflichtig.
  3. Das ist eine Fehlinformation. Für HP/HPP gibt es keine Niederlassungsbeschränkungen. Das findet man nur im Bereich der kassenzugelassenen Ärzte. Dort gibt es festgelegte 'Sitze'.

Viele Grüße
Henry
 
Hallo Kai,

herzlich willkommen hier im Forum.

Die Frage 1 finde ich sehr klug gestellt und ist unabhängig von dem Ergebnis, welches Du bei der Beantwortung für Dich findest. Mich hat die Liebe für die Psychotherapie und die eigenen positiven Erfahrungen mit der Psychotherapie bei HPs dazu gebracht, selber diesen Weg einzuschlagen. Zuerst wollte ich auch "nur" den HPP machen. Meine damalige HP, bei der ich zur Psychotherapie war, hat mir dann nahegelegt den uneingeschränkten HP zu machen.

In Deinem Fall behaupte ich jetzt mal, dass Dir ein Großteil des Basiswissens des HPP bereits jetzt zur Verfügung steht.
Das hätte für Dich den Vorteil
- beim HPP wahrscheinlich sehr schnell die Grundlagen für die Überprüfung zu beherrschen
- beim HP neues Wissen ergänzend zu dem Jetzigen zu erlangen - allerdings ohne den Vorteil aufgrund Berufserfahrung auf Wissen zurückgreifen zu können.

Willst Du später ausschließlich psychotherapeutisch arbeiten, so ist der erste genannte Weg (HPP) sicher der effektivere Weg.
Bist Du dir nicht sicher wohin das Leben Dich treibt und bist Du interessiert auch die Zusammenhänge des Körpers mit der Psyche zu therapieren, so ist der zweitgenannte Weg (HP) sicher der effektivere.

Ich kann sagen, dass meine Arbeit heute vom Schwerpunkt her immer noch sehr psychotherapeutischlastig ist, aber meine Patienten auf mich zukommen wegen körperlicher Probleme. Ich habe Ausbildungen in psychotherapeutischen Verfahren ebenso wie reine Körpertherapie. Es zu trennen und mich auf einen Bereich festlegen zu müssen, hieß für mich mitten in der Arbeit unterbrechen und den Patienten weiterleiten zu müssen - egal auf welchen Einzelbereich ich mich festlegen müsste.
Für mich ist Körper-Geist-Psyche-Umwelt untrennbar miteinander verbunden und so gibt es bei mir auch keine reine Körperarbeit oder Geistarbeit oder Psychearbeit oder Umweltarbeit...
Deshalb bin ich froh, dass mich meine damalige HP darauf aufmerksam gemacht hat.
 
Hallo ihr zwei,

vielen Dank für eure Antworten, diese geben schon mal etwas mehr Aufschluss. Ich habe jetzt einfach mal so aus dem Bauch heraus alte HPP-Prüfungen gemacht und komme immer auf einen sehr hohen guten Wert. Ich glaube nicht, dass ich da Probleme hätte, mir weiteres Wissen anzueignen.
Beim HP besitze ich durch meine Ausbildung ebenfalls viel Wissen, nur ist es ziemlich in den Hintergrund gerückt. Aber ich verstehe die Zusammenhänge auf anatomischer, physiologischer und psychologischer Ebene und kann mir vieles ableiten. Allerdings müsste ich für diese Prüfung tatsächlich etwas mehr Stoff wälzen. Aber ich glaube, auch das bekomme ich hin. Vielleicht mache ich gleich HP, biete dann aber hauptsächlich Psychotherapie an.
Auch sehr interessant die Info, dass es gesetzlich nicht geregelt ist, wie ich an Fachwissen komme. Ein Schein oder ein Zertifikat macht immer einen besseren Eindruck bei den Klienten, aber grundsätzlich ist es meine Sache, woher ich mein Wissen bekomme und wann ich sagen kann: Ja, jetzt biete ich offiziell Paarberatung (oder Paartherapie?!) an, weil ich mich sicher auf dem Gebiet fühle. Habe ich das so richtig verstanden?
Traumtherapie würde ich zum Beispiel nicht anbieten, weil ich hier auf der Arbeit mitbekomme, was das für eine heiße Kiste ist, an der man sich sehr leicht die Finger verbrennen kann.
 
offiziell Paarberatung (oder Paartherapie?!) an
Das Klientel einzuschränken oder zu spezialisieren ist nochmal etwas anderes - so wie manche Kollegen sich auf Kinderheilkunde spezialisiert haben.
Es geht mehr um die Verfahren mit denen Du arbeitest. Also wenn Du Paartherapie machst, welche Tools hast Du für die Therapie (ich schreibe bewusst nicht Beratung) der Paare?
Mit heißem Eisen meinst Du sicher Traumatherapie und nicht Traumtherapie?
Das Arbeiten mit einem Traum (ohne A) ist mit ein Tool in der Gestalttherapie und macht echt Spaß und hat nichts von heißem Eisen
 
Hi Kaius,
jenseits Deiner sachlichen Fragen würde ich Dir folgende Frage stellen:

Wieso stellst Du Dir jetzt gerade die Frage wie Du dich beruflich noch "weiterentwickeln" könntest?
Oder anders gefragt: Wieso möchtest Du HP(P) werden?

Die Antwort von Dir: ich möchte eine Lücke füllen ist männlich ausgedrückt das naheliegendste aber diese Antwort lasse ich nicht gelten!

Und weiter würde ich Dir die Frage stellen:
Wieso lässt Du Dir bei ein bischen Gegenwind schon den Wind aus den Segeln nehmen? (Auch wenn ich die Fragen und Antworten Deiner Frau für sehr klug halte :) !)
 
Hi,

ja, ich meinte natürlich Traumatherapie und nicht Traumtherapie ;)

Warum möchte ich gerne HP werden? Nun, im Laufe der Jahre bekomme ich von meinen Patienten hier viel Rückmeldung und insgesamt sind die Leute sehr zufrieden mit mir, fassen schnell Vertrauen, weil ich einfach sehr empathisch bin, wenn ich mich mal ein bisschen loben darf. Viele, viele Probleme, die die Leute haben, fußen meistens auf immer denselben Dingen. Ich bekomme Therapien mit, Lösungsansätze, weiß sehr gut um die Hilfe zur Selbsthilfe Bescheid und habe erkannt, worum es häufig im Kern geht. So kann ich inzwischen aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfen. Aber die Möglichkeiten hier im stationären Bereich sind nun mal beschränkt und durch die schulmedizinische Seite auch in ein enges Korsett geschnürt. Ich würde gerne weitermachen, wenn die Patienten hier entlassen sind. Darum mache ich nun Ambulante Psychiatrische Pflege, bei denen die Klienten sich aber nach wie vor ein einem recht fragilen Zustand befinden, der noch nahe an der stationären Behandlung liegt. Viele Themen kann ich weder in dem einen noch in dem anderen Rahmen derart vertiefen, als dass damit konstruktiv auf etwas hingearbeitet werden kann. So etwas erstreckt sich ja über Monate und kann nicht in ein paar Wochen abgefrühstückt werden. Aber ich interessiere mich tatsächlich dafür und möchte, auch wenn es sich platt anhört, den Menschen helfen. Ich weiß, dass es so vielen Leuten schlecht geht und sie dringend jemanden brauchen, der ihnen zuhört, sie berät oder sich anderweitig um sie kümmert, weil Familie, Freunde und Sozialkontakte oft kaum noch als stabile Konstanten vorhanden sind.
Aber Medizin studieren kann und will ich nicht mehr aus vielerlei Gründen. Und darum dachte ich, dass ich meine Hilfe auch außerhalb meiner festen Arbeitsstelle anbiete. Außerdem wäre ich unabhängiger von meinem Arbeitgeber und deutlich flexibler in der Gestaltung meiner Arbeit.
Den Wind aus den Segeln nehmen lasse ich mir wahrscheinlich, weil ich so unsicher bin, denn diese Entscheidung, sich weiterzuentwickeln, ist ja keine kleine. Ich fasse das nicht als Nebensächlichkeit auf. Sicherlich kann ich das jetzt alles lernen und dann hoffentlich erfolgreich die Prüfung ablegen und dann so weitermachen wie bisher. Aber das ist ja nicht das Ziel. Das Ziel wäre es, meine Hauptstelle mindestens zu reduzieren wenn nicht noch mehr. Das ist nicht nur mit einem finanziellen Risiko verbunden, sondern stellt ja mein bisheriges Arbeits- und Familienleben komplett auf den Kopf. Das ist eine existenzielle Entscheidung. Und für so etwas braucht man Mut. Ich war noch nie der Draufgänger und habe mich meistens damit zufrieden gegeben, was gerade so gereicht hat. Ich habe einen bequemen und sicheren Arbeitsplatz, bei dem ich gar nicht mal so schlecht bezahlt werde, warum sollte ich das also aufgeben? Das ist die eine Seite in mir. Die andere Seite wünscht sich einen deutlichen Tapetenwechsel, bei dem ich übrigens in Zukunft auch ortsunabhängig wäre, sollten wir mal auf die Idee kommen, den Wohnort zu wechseln. Vielleicht lasse ich mir den Wind aus den Segeln nehmen aus Angst vor meiner eigenen Courage. Andererseits würde ich dieses Abenteuer gerne wagen.

Viele Grüße und Danke für eure Antworten,
Kaius

PS: Ich bekomme es einfach nicht hin, mir hier ein Profilbild anzulegen. Was habe ich übersehen? ;)
 
Du bist noch nicht lange genug im Forum angemeldet für einen Avatar (soweit ich weiß :kopfkratz: ist das ein Aspekt)

Du bist doch gut zu Dir in Beziehung.
Ich möchte Dir einen Satz aus meinem beruflichen Coaching geben (ich lasse mich coachen, weil ich auch weiter will und die von Dir genannten Ängste sind mir bekannt - ich denke sogar, dass die meisten diese Ängste mehr oder bewusst in sich tragen)
Der Satz lautet:
"Ich blockiere mich selber, wenn ich sofort zuviel von mir erwarte!"

Lass Dir Zeit und mache Schritt für Schritt. Wohin Dich das Leben führt und was sich zeigt, kommt später.

Der Rheinländer sagt "Dat is denn dann!"
 
@Kaius

Wie es schon Tina sagte, alles braucht seine Zeit zur Reifung und alles kann, nichts muss!
Ich fasse das nicht als Nebensächlichkeit auf. Sicherlich kann ich das jetzt alles lernen und dann hoffentlich erfolgreich die Prüfung ablegen und dann so weitermachen wie bisher. Aber das ist ja nicht das Ziel. Das Ziel wäre es, meine Hauptstelle mindestens zu reduzieren wenn nicht noch mehr. Das ist nicht nur mit einem finanziellen Risiko verbunden, sondern stellt ja mein bisheriges Arbeits- und Familienleben komplett auf den Kopf. Das ist eine existenzielle Entscheidung. Und für so etwas braucht man Mut. I

Ja, für so etwas braucht man Mut! Denn auch wenn man in seinem Bereich wirklich richtig gut ist, müssen sich auch Hilfesuchende finden, die bereit sind, für die jeweilige Behandlung Geld in die Hand zu nehmen, sofern sie nicht privat versichert und dadurch abgedeckt sind, um sich von uns behandeln zu lassen - und das womöglich, wie Du schreibst, über einen langen Zeitraum.

Die Frage ist doch, willst Du so weiter machen, was vielleicht zugegebermaßen bequem, aber nicht erfüllend ist? Oder in Deinen Schritten ins volle, Dich erfüllende:) Leben gehen - wie auch immer - ob Vollerwerbs- oder Teilerwerbspraxis, das Leben beinhaltet immer ein mehr oder weniger großes Risiko. ;)

Für mich war die Richtschnur immer, dass ich meine Ziele und Träume leben will, zumindest versuchen will ich sie. Der Weg ist das Ziel. Manche der Träume/Ziele hat über die Zeit die Wirklichkeit eingeholt oder sie haben sich im Laufe der Zeit verändert, viele andere lebe ich immer noch. Am Ende meines Lebens möchte ich nicht bedauern müssen, daß ich sie nicht versucht habe und kann hoffentlich auf ein, mich erfüllendes Leben, zurückschauen.
 
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