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Fallbeispiel B...-Störung (zum Knobeln)

kapinnow

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Heilpraktiker
Hallo zusammen,

angeregt durch eine kürzlich ausgestrahlte Sendung der BBC, hier ein "nettes" Fallbeispiel zum Knobeln für die Experten (die die Sendung vll nicht gesehen haben - oder vll gerade, weil sie die Sendung auch gesehen haben):

Steward erzählt: "Ich wurde und werde wegen einer B...-Störung behandelt. Irgendwann war der Punkt erreicht, dass ich wusste, dass ich Hilfe brauchte. Meine Beziehung war kaputt, ich war verschuldet, ohne Arbeit und ohne Ziel. Alles war leer. Da war Selbstverstümmelung wie eine Befreiung. Wenn ich mir Schnitt- und Brandwunden zugefügt habe, bin ich mir lebendig vorgekommen. Meine Stimmung kann während eines Tages zwischen euphorisch und niedergeschmettert schwanken. Wenn ich "down" bin, kommt mir alles sinnlos vor. Ich fühle mich leer und wie eine Versager. Ich will in so einer Stimmung gar nicht mehr weiterleben."

Die Suche nach dem Risiko ist übrigens charakteristisch für diese Störung. Wie lautet die Verdachtsdiagnose bzw. welche Differentialdiagnosen wären denkbar?

Liebe Grüße
Kai
 
ICD 10:
Meine Diagnose:
F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung. Es besteht eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren. Ferner besteht eine Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden.
Zwei Erscheinungsformen können unterschieden werden:
Ein impulsiver Typus, vorwiegend gekennzeichnet durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle;
Borderline- Typus, zusätzlich gekennzeichnet durch Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen, durch ein chronisches Gefühl von Leere, durch intensive, aber unbeständige Beziehungen und eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen.


Die artifiziellen Handlungen sind bei Borderlinern typisch. Ebenfalls die beschriebene depressive Symptomatik. Insofern würde ich keine depressive Episode präferieren.

LG
Petra
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Petra,
genau das dachte ich auch...
...und war ganz überrascht, dass das wohl falsch sein sollte - daher die Frage.
Also: weiterknobeln...
Liebe Grüße
Kai
 
Differentialdiagnose bipolare Störung (Hang zum Risiko, starke Stimmungsschwankungen, Selbstverletzendes Verhalten kommt auch vor). Familiengeschichte muss überprüft werden (genetische Veranlagung), traumatische Erlebnisse sind abzufragen (würde dann eher für Borderline sprechen). Die Abgrenzung bipolare Störung - Borderline-Störung ist nicht immer eindeutig.
 
Ok, dann bräuchte ich mehr Informationen.

Bei PTBS kommen diese Handlungen als wiedererlebte Flashbacks ebenfalls vor.
Durch wiederelebte Traumata fügen sich die Betroffenen mitunter Selbstverletzungen zu, um das Erlebte erneut zu verarbeiten.

Was ich in meiner Praxis immer wieder erlebe:
5 Therapeuten, 5 Diagnosen...

Insofern muß eine genaue Anamnese stattfinden. Ansonsten gibt es ungemein viel Raum für Spekulationen.

Nun gut, bin mal gespannt, was rauskommt?

LG
Petra
 
erste Idee Borderline, zweite Idee bipolar, dritte PTBS (Belastungsstörung... weil die Störung ei dir ja mit B anfängt)...

bin gespannt...
 
Übrigens, bei Essstörungen oder dissoziativen Störungen oder artifiziellen Störungen oder Psychosen treffen die Beschreibungen auch zu...
Wichtig wäre noch zu wissen, welche der beschriebenen Symptome im Vordergrund stehen...

Deshalb:
Mehr Info wäre vonnöten;-), ansonsten doch recht spekulativ...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo zusammen,

ich nehme den Sachverhalt nun mal ein bisschen auseinander und dann schau ich mal:

Zitat:
Irgendwann war der Punkt erreicht, dass ich wusste, dass ich Hilfe brauchte

Das lässt eine gewisse Krankheitseinsicht und Leidensdruck erkennen, die Person ist sich bewusst, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Die Person ist bereit Hilfe zu suchen, bzw. sich helfen zu lassen.

Das ist untypisch für eine Manie, da in dieser Phase i.d.R. keine Krankheitseinsicht besteht. Eher typisch wäre es für eine Depression.


Zitat:
Meine Beziehung war kaputt, ich war verschuldet, ohne Arbeit und ohne Ziel

Das passiert vielen Menschen, und wer alles verloren hat, der kann bzw. darf auch erstmal ziellos sein. Die Gründe für die kaputte Beziehung, der Verschuldung der Arbeits-/Ziellosigkeit sind wichtig zu erfahren. Entweder sind es Symptome einer Störung (vor allem bei bipolarer Störung I. (manische Phase) oder im Rahmen einer PS ,emotional instabile, antisoziale, paranoide, oder schizotype Störung)
Es kann jedoch auch eine "normale Reaktion" auf besonders belastende Ereignisse sein und keine Pathologie beinhalten.


Zitat:
Alles war leer.



Das dürfte wohl aus der Arbeitslosigkeit, der Verschuldung, der kaputten Beziehung und Ziellosigkeit entstanden sein.
Na klar ist alles leer, wenn man den bisherigen Lebensinhalt verliert. Der Boden unter den Füßen wurde ihm weggerissen.

Zitat:
Da war Selbstverstümmelung wie eine Befreiung. Wenn ich mir Schnitt- und Brandwunden zugefügt habe, bin ich mir lebendig vorgekommen

Die Selbstverstümmelung deute ich als Aggression, die eigentlich gegen jemand anders gerichtet ist, jedoch nicht gegen diesen, eigentlichen Aggressor ausgelebt werden kann und nun zur Autoaggression führt. Denn die Aggression bleibt ja bestehen und verschwindet nicht einfach wieder, sondern erst, wenn sie abgebaut wird, kehrt vorrübergehend Ruhe ein.
Das Gefühl sich nicht mehr zu spüren, welches beim Patienten besteht, wenn er sich nicht selber verletzt könnte aus dem Gefühl des "Nicht-existierens - Nicht spürens, des abgestorben seins" resultieren, welches unter anderem oft bei der Borderline Störung vorkommt aber auch bei vielen anderen z.B. akuten Belastungsreaktionen, PTBS, und dissoziativen Störungen... zur Kompensation dieses unangenehmen Gefühls fügt sich der P. diese Verletzungen zu, um sich wieder spüren zu können. Denn Schmerzen zu spüren, ist immer noch besser als nichts zu spüren. Es zeigt mir, dass ich noch lebe, denkt sich
der Patient vielleicht.



Zitat:
Meine Stimmung kann während eines Tages zwischen euphorisch und niedergeschmettert schwanken. Wenn ich "down" bin, kommt mir alles sinnlos vor.

Eine Mischung aus depressiven und hypomanen-manischen Phasen, Stimmungsschwankungen, kommt bei bipolaren Störungen, Borderline, u.a. Störungen vor. Entweder als eigenständige Erkrankung Bipolare Störung oder als Symptom anderer psychischer Störungen.


Zitat:
Ich fühle mich leer und wie eine Versager. Ich will in so einer Stimmung gar nicht mehr weiterleben.

Selbstanschuldigung / Selbstanklage deuten auf Depressionen hin, die entweder wieder eigenständig sein kann, oder im Rahmen von Bipolaren Störungen auftritt. Oder auch im Rahmen von anderen Störungen als Symptom.

Diese Phase scheint für den Patienten belastend zu sein, denn er will in so einer Stimmung nicht mehr leben. --> "latente" Suizidwünsche --> deuten ebenfalls den depressiven Charakter an.


Kai, du schreibst dass die Risikobereitschaft kennzeichnend ist für diese Erkrankung:

Risikobereitschaft sind meiner Kenntniss nach kennzeichnend für Bipolare Störungen im Rahmen der manischen Phase. Die Person fühlt sich mega, gut, unwiederstehlich, wie Supermann nur noch besser, usw.


Es ist natürlich sehr schwierig, hier eine Verdachtsdiagnose zu stellen, zumal ich zu mindestens zwei Diagnosen tendiere.

1. Bipolare Störung (erklärt die depressiven und manischen-hypomanischen Symptome)

2. Impulskontrollstörung (Verbrennungen/Verletzungen zufügen)

3. akute Belastungsreaktion --> auf die Verlusterlebnisse (Frau, Arbeit, Geld) (Verbrennungen/Verletzungen zufügen um dem Gefühl des Betäubt seins zu entfliehen und sich zu spüren)

4. Anpassungsstörung (dito.)

Ausschliessen würde ich jedenfalls u.a. ein monopolare Depression.

VG Micha
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
@spongebob

Du hast dir in der Analyse ja richtig Mühe gegeben und die einzelnen Aspekt diskutiert.


Wenn ich mich alleine an dem letzten Satz von Kai orientiere, würde ich eine bipolare Störung diagnostizieren.
Allerdings habe ich in der Praxis die Erfahrung gemacht, dass es "ungemein" schwierig ist, eine Diagnose zu erstellen.
Wie oft sind die dahinterliegenden Probleme maskiert.
In den psychiatrischen Kliniken ( ich habe 10 Jahre in einer gearbeitet) werden eine Menge Tests durchgeführt, um sich einer dann erstellten Diagnose sicher zu sein. Ergänzt wird diese durch Diskussionen im Team, Einzelgespräche mit dem Therapeuten, Fremdanamnese, Eigenanamnese.

Und dann kommt die Diagnose. Natürlich wird vorher eine Verdachtsdiagnose geäußert.
Was anfänglich so sicher erscheint ( ihr seht, ich habe direkt, ohne alle Aspekte einzubeziehen auf PS Borderline "getippt") stellt sich evtl. als nicht haltbar heraus.

Und das nächste Problem:
es gibt oftmals mehrfache Anteile / Mehrfachdiagnosen. So kann der von Kai geschilderte Fall vielleicht die erste Diagnose haben:

Bipolare Störung
und weiter geht´s mit:

Artifizielle Anteile (oder vielleicht doch als eigenständige Diagnose dann Atitifizielle Störung)

bedingt durch :
Trauma mit u.a. Spannungszuständen, Flashback
hieraus sich
entwickelnde dissoziale Anteile (geschieden, arbeitslos mit der Frage, wie ist es dazu gekommen, wie hat er sich verhalten...)

dissoziative Anteile ( als Dissoziative Störung (Neurose) entwickelt)

Also doch nicht bipolar?
Vielleicht doch PTBS mit einer Psychodynamik, die sich als manisch-depressiv anmutet, weil dadurch der innerpsychische Druck kompensiert werden kann.
Also doch Erstdiagnose:
PTBS
oder doch

PS, weil sich aufgrund des Traumata eine Haltung (Schutz, Kompensat) entwickelt hat, um etwas geschehenes "ungeschehen" zu machen...

u.s.w., u.s.w.............

Was ich meine:
Natürlich sind Praxisfälle gut zum Lernen. Wichtig dabei ist m.E. herauszufinden, was bei den geschilderten und nicht geschilderten Symptomen (aus Sicht des Patienten) und den von mir beobachteten Anteilen (aus Sicht des Therapeuten)"zunächst" im Vordergrund steht. Diese Aspekte können dann ungemein hilfreich sein, zu wissen, wo und wie fange ich überhaupt an.
Ansonsten wäre es eine Therapie frei dem Motto:
Loslegen und sehen was dabei herauskommt!

Insofern möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir uns nicht zu schnell auf etwas festlegen, sondern eine Menge o.g. Aspekte in die Diagnostik einzubeziehen.

Ich habe in der Praxis zunächst einige Stunden angesetzt, um mir eine Meinung über den Patienten bilden zu können. In der Therapie muß dann die eingeschlagene mit dem Patienten abgestimmte Richtung immer wieder auf Sinn, Erfolg und Zweck überprüft werden. Nach einigen Jahren komme ich zu dem Entschluß, symptomatisch vorzugehen.
Und immer wieder mache ich die erfahrung, dass in ganz, ganz vielen Fällen ein trauma zugrundeliegt...

@Kai,
diese von dir in dieser Art genannte Beschreibung wird gerne von Gesundheitsämter bei der Überprüfung gestellt. Mit ein paar Sätzen, allerdings für die einzelnen Störungsbilder sehr prägnante Beschreibung soll dann eine Diagnose erstellt werden.
In deinem geschilderten Fall wäre dann die Beschreibung der Risikobereitschaft (Geldausgeben, Verträge abschließen u.s.w. ), wenn es denn eine bipolare Störung ist evtl. ausführlicher.
Insofern finde ich die eingestellten Fallbeispiele gut.


So, jetzt ist genug.

Wem es gelungen ist, dieser Konfusion der Diagnoseerstellung zu folgen und dadurch nicht hypnotisiert wurde, kann jetzt, wenn er mag darüber nachdenken, was es mit den gestellten Diagnosen In der Psychotherapie so auf sich hat!

@Kai,
danke, du hast mich dbzgl. noch einmal zum Nachdenken angeregt, wenn gleich ich mit meiner Ausführung wohl im schulischem Sinne das Thema verfahlt habe;)

LG
Petra
 
Hallo Petra,

ja, ich weiss um die Schwierigkeiten der Diagnosen von psychischen Störungen. Leider kenn ich das auch aus eigener Erfahrung als Betroffener, und weiss um das oft, voreilige abstempeln bzw. in Schubladen stecken und kategorisieren von Menschen die an derartigen Störungen leiden.

Was oft im physischen Bereichen schon schwer zu diagnostizieren ist, bekommt im Rahmen psychischer Störungen nochmal einen Zuschlag.

Dir auch ein schönen Sonntag.


Vg Micha
 
Dass Bipolare in der manischen Phase keine Krankheitseinsicht haben kann ich so nicht bestätigen, mag aber vom Einzelfall abhängen. Der mir bekannte Einzelfall sagte jedenfalls während der ärztlichen Untersuchung: "Ich weiß, dass ich ballaballa bin".
Denn ohne Eigen-oder Fremdgefährdung kann man einen solchen Patienten nicht einfach in die Psychiatrie bringen gegen seinen/ihren Willen.
 
Hallo zusammen,

laut der Aussagen in der BBC-Dokumentation, aus der der Monolog stammt, handelt es sich tatsächlich um eine Bipolare Störung - die allerdings eben bereits in Behandlung ist. So wie ich das verstanden habe, spricht man hier wohl von "Rapid Cycling", d.h. einer Form, bei der die Symptome sogar innerhalb eines Tages schwanken (meine Interpretation).

Ihr habt eine wundervolle Analyse gemacht - das wird für andere Leser als Vorbild dienen.:)

Vielen Dank und liebe Grüße
Kai

P.S: die genannte Sendung der BBC hat irgendwie insgesamt gezeigt, dass Menschen mit bereits (an)therapierten Störungen nur extrem schwer - wenn überhaupt - von anderen unterschieden werden können, die noch keine psychische Störung überwinden mussten, solange die Betroffenen sich nicht selbst "outen". Eine gute Botschaft, finde ich!:)
 
also, ich habe dieses thema bereits vor 1 jahr gelesen und saß dann so hier :eek: --> :confused: --> :moved: , war mir alles ne nummer zu hoch.
JETZT aber lese ich mir ds alles wieder durch weiß, wovon ihr hier redet :juchu:.
ICH hätte hier auch auf rapid cycling getippt (solche speziellen begriffe merke ich mir immer sofort), ABER komorbid mit einer artifiziellen störung (da diese ja auch komorbid mit depressionen sein kann, würde es ja wieder zum rapid cycling passen :D )
jo, so hätte ich das jetzt gesehen und bin sowas von erfreut, dass ich damit sogar recht gut liege.
kann man mal sehen, was ein jahr ausmacht, wenn man sich intensiv mit der thematik befasst.

lg

claudia
 
Hallo, sehr interessante Kommentare, obwohl dieses Thema schon etliche Zeit zurück liegt. Mein erster Gedanke war auch die schnell wechselnden Stimmungsschwankungen. Also rapid cycling. Dann kam mir die Idee an Betäubungsmittelmissbrauch, sei es Alkohol, Dope, Diazepam oder Andere. Die ein Konsument natürlich nie zu geben wird. Eine Suchtkrankheit wird leider nie zugegeben werden. Die Botschaft aber, dass er selber jetzt Hilfe benötigt, sagt ja schon einiges aus, was eine PS oder eine Ptbs gar nicht erkennen täte. Und der Klient ist ja berets therapiemäßig versorgt. Ich denke, dass der Substanzmissbrauch in der Therapie angesprochen wird, es aber ein paar Sitzungen dauern wird, bis er dieses Thema selber ansprechen wird. Is nur ne Vermutung, wichtig wärs, mit dem MENSCHEN selber zu sprechen.
 
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