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Gehörlose Patienten in der Naturheilpraxis

Silke Uhlendahl

Heilpraktikerin
Heilpraktiker
Ort
Praxis in: 45279 Essen seit 2001
Therapien
siehe bitte homepage
Status
HP
Seit einem Jahr habe ich nun in der Praxis durch die Praxisgemeinschaft mit Savina Tilmann (HPP und Gebärdensprachdolmetscherin) auch verstärkt mit gehörlosen Patienten Kontakt.Gehörlose Menschen sind hochgradig schwerhörig oder taub.

nach dem Grad des Hörverlustes unterscheidet man:

Taubheit: Der Hörverlust beträgt im Bereich zwischen 125 und 250 Hz mehr als 60 dB sowie mehr als 100 dB im übrigen Frequenzbereich.

hochgradige Schwerhörigkeit:
Dieser Grad der Behinderung liegt vor, wenn der mittlere Hörverlust zwischen 70 und 100 dB beträgt. Bei Hörverlusten zwischen 85 und 100 dB spricht man auch von „Resthörigkeit“ oder „an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit“.

Bevor ich meine heutige Praxispartnerin kennenlernte, hatte ich viele falsche Vorstellungen über die Lebensrealitäten von gehörlosen Menschen und über die deutsche Gebärdensprache (DGS). Ich dachte, Gebärdensprache sei international und „künstlich“ ausgedacht – heute weiß ich, dass es eine eigene Sprache ist, die gewachsen ist, ähnlich unserer Lautsprache, und die sogar Dialekte hat. So ist es in der DGS (deutsche Gebärdensprache) schon zu merken, ob man aus Hamburg oder München kommt, genauso wie in der Lautsprache. Und ich dachte auch immer: "Ja, dann schreibt man eben auf, was man sagen will." Für einfache Zusammenhänge ist das natürlich möglich, aber bei komplexeren Themen zunehmend schwieriger, da Deutsch für jemanden, der mit DGS aufgewachsen ist, eine Fremdsprache ist! DGS ist zwar Deutsche Gebärdensprache, aber eben nicht Deutsch. Die Grammatik ist völlig anders. Aufschreiben geht also für komplexe Themen nur dann, wenn der oder die Gehörlose die Fremdsprache Deutsch beherrscht. Über all das war ich schon sehr erstaunt, und ich kann mir vorstellen, dass es vielen Menschen ebenso geht. Analog verhält es sich mit ASL (american sign language) und den Gebärdensprachen anderer Nationalitäten.
Noch erstaunter war ich dann, als ich erfahren habe, dass an Gehörlosenschulen die meisten Lehrer hörend sind, und durchaus auch nicht alle in vollem Umfang gebärdensprachkompetent sind. An den Schulen wird noch immer unter anderem mit Ablesen des Mundbildes gearbeitet, was erstaunlich ist, weil man im Deutschen nur 30% ablesen kann. Stellt euch mal vor den Spiegel und sprecht lautlos Mutter, Butter, Bruder, Puder, Mühe… man kann es nicht unterscheiden. Der Unterricht in dieser Art ist natürlich nicht im gleichen Tempo möglich. Das ist ein Grund, warum es relativ wenig gehörlose Akademiker gibt, und viele Gehörlose nicht so gute Bildungsabschlüsse absolvieren. Interessanterweise haben die gehörlosen Akademiker, die ich kenne, ebenfalls gehörlose Eltern und / oder sind mit DGS aufgewachsen so wie wir Hörenden mit der Lautsprache, und es hat sich im kindlichen Gehirn das Sprachzentrum gefestigt (dafür gibt es in der kindlichen Entwicklung ein bestimmtes Zeitfenster in der das am besten gelingt). Für die Entwicklung der Areale für Sprache ist es egal, um welche Art Sprache es sich handelt.
Hörenden Eltern wird auch heute noch vielerorts empfohlen, dass sie ihr gehörloses Kind zum Mund Ablesen erziehen und nicht DGS lernen, um so mit ihrem Kind zu kommunizieren. Die Kinder, so wird den Eltern erklärt, sollen möglichst gut Sprechen lernen und Lippenlesen, um in der Welt der Hörenden zurecht zu kommen… mit welcher Berechtigung? Nur weil es mehr hörende als gehörlose Menschen gibt? Natürlich ist es für mich (hörend) bequemer, wenn jemand sich in meiner Sprache austauschen kann und etwas anstrengender, wenn ich auch die Sprache meines Gegenübers erlerne.
Es gibt nicht viele Hörende, die DGS erlernen (entweder sind es Angehörige, die dann irgendwann feststellen, dass es Sinn macht, die Sprache der eigenen Kinder, Geschwister, Tanten, etc…zu lernen, oder es sind Dolmetscher, und einige wenige aus anderen Gründen Interessierte).
Gehörlose begreifen sich aber nicht nur als sprachliche, sondern auch als kulturelle Minderheit mit einer eigenen Kultur. Auch Gehörlosenkultur war mir völlig fremd, bis ich einige gehörlose Menschen kennen gelernt und auch spezielle Gehörlosenevents besucht habe (da war es dann mal andersherum, und ich benötigte einen Dolmetscher – auch mal eine neue Erfahrung).

In Deutschland ist seit 2002 mit Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) der Anspruch gehörloser Menschen auf Gebärdensprachdolmetscher gesetzlich geregelt.

Hier bekommt man einen Eindücke zum gesamten Themenbereich

F.A.Q. zum Thema in deutsch und DGS

Wikisign

Lexikon der Gebärdensprache von Karin Kestner


Aus der Praxis:

Auf therapeutischer Ebene ist die Arbeit mit Klangschalen und anderen Instrumenten besonders interessant. Meine gehörlosen Patienten reagieren ausgesprochen gut auf Klangschalen – da denkt man zunächst: "Wie denn, die hören ja nichts vom Klang." Stimmt, aber gehörlose Menschen haben ein stärkeres Vibrationsempfinden, weil der Teil im Gehirn, der für die Verarbeitung von Tönen zuständig ist, als zusätzliches Vibrationszentrum umstrukturiert wird. Darum macht eine Frühförderung für gehörlose Kinder in diese Richtung Sinn.
Bei der Behandlung merke ich auch, wie wichtig Vertrauen hierbei im Besonderen ist, wenn die Patienten zum Beispiel in Bauchlage auf der Behandlungsliege sind. Die Gehörlosen leben in einer visuellen Welt und sind ohne Sichtkontakt noch mehr auf sich zurückgeworfen als jemand, der noch hört, was evtl. jetzt passiert, oder dem ich das einfach sage: "Vorsicht, jetzt wird es warm, kalt, fest, etc." Dieses Vertrauen meiner Gehörlosen Patienten ist ein Geschenk und ich gehe dementsprechend achtsam damit um. So vereinbaren wir vor der Behandlung, mir auf bestimmte Art zu signalisieren, wenn etwas weh tut oder gut tut, um in Kontakt bleiben zu können.
Da ich schon ein paar Gebärden für meinen Arbeitsalltag erlent habe, erleichtert das die Behandlung und auch das Vertrauensverhältnis.

Die Tatsache, dass meine Praxispartnerin eine sehr gute Gebärdensprachdolmetscherin ist, erleichtert auch meine Arbeit sehr. Natürlich kann ich mich auch, wie oben beschreiben, alleine oberflächlich verständigen, aber bei einer eingehenden Anamnese oder gar homöopathischen Anamnese ist das nur möglich, wenn man die gleiche Sprache benutzt.
Und dieser Vorteil ist auch in der psychotherapeutischen Arbeit meiner Partnerin enorm. Die Gehörlosen haben die Möglichkeit, 1:1 mit der Therapeutin zu sprechen. Sonst läuft Psychotherapie zu dritt Therapeut – Dolmetscher- Patient…das kann kaum so wirksam sein wie das Gespräch direkt miteinander. Bleibt doch, wenn man übersetzt wird, immer ein kleiner Nachhall: "Waren das auch 1:1 meine Worte….?" Und ein Dolmetscher wird nur bezahlt, wenn es einen Kostenträger für die Behandlung gibt - das bedeutet bei Kassenzulassung. Sonst muss der Patient nicht nur die HP bzw. HPP Behandlung zahlen, sondern die Dolmetscherkosten zusätzlich aus eigener Tasche. Wer kann sich dann eine solche Therapie noch leisten? Und wie sinnvoll ist im Besonderen Psychotherapie mit einer dritten Person im Raum?
Darum haben wir in unserer Praxis speziell für gehörlose Patienten im Selbstzahlerbereich für HP- Leistungen Sonderkonditionen für die Dolmetscherleistung vereinbart. Für die HPP- Leistungen ist die Dometschleistung ebenfalls inklusive.
Außerdem finden Veranstaltungen wie Vorträge zu Gesundheitsthemen und Seminare simultan auch in DGS statt.

Text: Silke Uhlendahl
Gebärdenvideo F.A.Q. : Savina Tilmann



Praxisgemeinschaft Sichtzeichen
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Savina Tilmann & Silke Uhlendahl
(Heilpraktikerin für Psychotherapie) (Heilpraktikerin)

Bochumer Landstrasse 397

45279 Essen

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