Hallo Vision,
das ist eine Frage, zu deren Beantwortung man sicher längere Abhandlungen verfassen könnte
ganz grob kann man sagen, das alles, was den Patienten in einen Gefühlszustand wie bei der ursprünglichen Traumatisierung bringt, zu einer Retraumatisierung führen kann - also auch therapeutische Interventionen (zB. "Hängenlassen") oder Methoden (evtl. Konfrontationstherapie, Hypnose, Imaginationen, Methoden die zu sehr ins Unbewusste gehen)
Bei komplexen Traumata durch schädliche Beziehungen zu Bezugspersonen spielt die Beziehung zwischen BehandlerIn und PatientIn eine besonders große Rolle. Hier gilt es, in der Therapie möglichst alles das zu vermeiden, was dem Beziehungsverhalten der damaligen schädigenden Bezugsperson entspricht. Bei schweren Störungen nicht immer einfach, oft reichen schon "Kleinigkeiten" um zu verunsichern. Die Beziehungsgestaltung hat größte Wichtigkeit und muss ständig überprüft werden.
Bei Traumata zB durch Wasser, Feuer, Eingesperrtsein etc. müssen Trigger zB in Imaginationen vermieden werden (ggf. keine Entsapnnungsübung "unter dem Wasserfall", oder evtl. Höhle etc.).
Ausführliche Anamnese ist immer sehr wichtig.
In der Arbeit mit Traumatisierten ist das Stabilisieren sehr wichtig. Übungen, die im Alltag helfen, mit flashbacks umzugehen, helfen auch bei Retraumatisierungen in der therapeutischen Arbeit, sofern die Beziehungsebene noch stimmt. Also Erdung durch Körperübungen, Atemübungen, Achtsamkeit "hier und jetzt".
Handelt es sich um eine Beziehungsretraumatisierung, die im therapeutischen Kontext passiert ist, wird es schwieriger. Oft ist die gemeinsame Arbeit dann nicht mehr zu retten. Wenn aber schon eine längere Strecke gemeinsam zurückgelegt worden ist und es eine Basis gibt, die trägt, gibt es schon Chancen, wieder die Kurve zu kriegen. Hier hilft dann m.E. am meisten ehrliches, offenes Ansprechen der gesamten Thematik (v.a. bzgl. Vertrauensverlust) einschließlich des "sich-persönlich-zeigens"-des Therapeuten / der Therapeutin. Dann muss eine Weile wieder mehr an vertrauensbildenden Maßnahmen gearbeitet werden, das hat dann Vorrang vor allem anderen. Auch das muss m.E. genau so thematisiert werden. Letztendlich hängt es aber vom Patienten ab, ob er nochmal neu vertrauen kann. Als Therapeutin kann man die Hand reichen, man aber keinen Einfluss drauf, ob sie nochmal ergriffen wird.
Sollte es sich um schwere Retraumatisierungen handeln (zB Missbrauch durch einen Therapeuten - hierzu gehören auch vermeintlich "einvernehmliche" sexuelle Kontakte), muss die Arbeit und der Kontakt sofort komplett abgebrochen und das Ganze möglichst zur Anzeige gebracht werden. Für den "Folgetherapeuten" gilt, dieses zu unterstützen und ganz besonders auf die Beziehungsgestaltung zu achten.
Soviel mal als allgemeine Antwort. Umfassend sind deine Fragen aber sicher nur bezogen auf einen spezifischen Fall zu beantworten.
Viele Grüße, Pia