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Buchbesprechung Schnelles Denken, langsames Denken (Daniel Kahneman)

kapinnow

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Heilpraktiker
Hallo zusammen,
dies ist eines meiner aktuellen Lieblingsbücher, weil darin auf nachvollziehbare Beobachtungen hin mit unzutreffenden Vermutungen aufgeräumt wird. Es wird ein einfaches Modell des Denkens beschrieben, dass viele Verhaltensweisen gut erklären kann. Es ist ein Psychologiebuch, das eine Menge interessanter lehrreicher und manchmal überraschender Beispiele enthält. So wie es meine Zeit und Lust erlaubt, will ich hier gelegentlich etwas zu manchen Kapiteln schreiben und ich hoffe, ihr findet es ebenso nützlich wie ich. Vll finden wir dann gemeinsam heraus, wo das Eine oder Andere für unsere Praxis hilfreich sein könnte.
Liebe Grüße
Kai
 
Bevor ich auf dieses Modell des langsamen und schnellen Denkens eingehe, möchte ich etwas zu Intuition schreiben, denn mir war beim Lesen aufgefallen, dass ich dazu bislang gar nicht richtig nachgedacht hatte, obwohl das Thema z.B. fürs Aufstellen sehr wichtig ist. Kahneman zitiert Herbert Simon:
Die Situation liefert einen Hinweisreiz. Dieser Hinweisreiz gibt dem Experten Zugang zu Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind, und diese Informationen geben ihm die Antwort. Intuition ist nicht mehr und nicht weniger als Wiedererkennen.
Was meint ihr dazu?
 
Hallo Kai,
ich bin gespannt auf deine Ausführungen!

"Intuition ist nicht mehr und nicht weniger als Wiedererkennen." Ist Intuition nicht viel mehr als Wiedererkennen? Nicht jede Situation, die intuitiv erfasst wird, wurde von derjenigen Person erlebt, was ein Wiederekennen erklären würde. Was meinst du?
 
Hallo Manja,

ja, da hast Du Recht. Ich würde Intuition als ein generalisiertes Wiedererkennen bezeichnen. Es ist wie mit den Phobien: Der Aufzug ist nicht immer derselbe, aber wir erkennen fast immer sofort, wenn es ein Aufzug ist, und die Angst vor diesem engen Raum stellt sich auch schnell ein.

Liebe Grüße
Kai
 
Der Titel lautet "Schnelles Denken, langsames Denken". Also, was versteht Kahneman unter schnellem Denken?

Kahneman unterscheidet zwei psychologische Systeme des Denkens: System 1 und System 2. Ok, ein Buch mit dem Titel "System 1 Denken und System 2 Denken" hätte sich wohl weniger gut verkauft. Wieso also diese Namen? Kahneman möchte einerseits von Akteuren sprechen können, da das anschaulicher ist als von Eigenschaften des Gehirns. Andererseits wären Namen wie automatisches System und willentliches System aus seiner Sicht zu lang, um sie schnell aufnehmen und identifizieren zu können, obwohl diese Bezeichnungen recht treffend scheinen. Zudem scheint mir die Abstraktion nützlich, da beide Systeme sehr viele unterschiedliche Eigenschaften haben, und eine Verkürzung auf nur eine Eigenschaft manchmal unpraktisch wäre und das Denken in falsche Bahnen lenken könnte.

Es geht also wiedermal um unbewusste und bewusste Prozesse - das verblüfft jetzt vll weniger. Es sind vielmehr die Konsequenzen, die spannend sind, doch davon später. Kurzgefasst sind:

System 1 – automatisch und schnell, ohne willentliche Kontrolle und ohne oder mit nur geringer Anstrengung, impulsiv und intuitiv, eine mentale Schrotflinte

System 2 – langsam, vorsichtig und manchmal faul, erlaubt eine fokussierte Aufmerksamkeit unter Anstrengung für notwendige komplexe Denkvorgänge, befähigt zur Selbstkontrolle, kann lernen statistisch zu denken

Mein Erstkontakt mit System 1 und System 2 war das Hörbuch. Auch beim Lesen fand ich es sehr anstrengend, in System 1 und System 2 zu denken, und ich habe oft zurückgeblättert, um mir klarzumachen, welches nun das automatische und welches das willentliche ist, wobei interessanter Weise an der betreffenden Stelle im Orginaltext "automatic system" und "effortful system" steht.

Was würdet ihr hier am Liebsten für System 1 und System 2 lesen?

Liebe Grüße
Kai
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
LIeber Kai,

dass "Intuition" (unbewusstes) Wiedererkennen ist, kann ich mir gut vorstellen.

Die Begrifflichkeiten "automatisches" und "willentliches" System finde ich gut fassbar. Wobei "willentlich" für mich noch Implikationen enthält, die in diesem Zusammenhang - für mich - nicht 100 prozentig passen, aber mir fällt auch nichts Besseres ein.

Ansonsten: Herzlichen Dank für den Beitrag und liebe Grüße!
 
Die beiden Systeme sind verständlich aber eben doch theoretische Abhandlung. Bietet Kahnemann praktische Beispiele an?
 
Ok, getreu unserer Lieblingsthematik beginnen wir mit der Wahrnehmung (und erinnern uns an die Wahrnehmungskette von C.G. Jung mit unmittelbarer sensorischer Empfindung, kognitiver Interpretation, seiner Vorstellung von Intuition, die etwas mit dem Woher und Wohin zu tun hat und dem Gefühl, das aus all dem resultiert).

Ein frühes Beispiel bei Kahneman ist viel länger bekannt: die Müller-Lyer-Illusion. Dazu hier ein netter Link. Das automatische System ist eben mehr als das ES und das ÜBER-ICH Freuds und wenn man sich das Beispiel anschaut, kann es so leicht vernarrt werden. Das willentliche System könnte sich ein Lineal mit Zentimeterskala besorgen und nachmessen, aber das ist eben anstrengend.
 
Nur mal angenommen, uns wäre klar, dass es ein automatisches System die Müller-Lyer-Illusion zu einer Fehleinschätzung führt. Ändert es was? Ich denke schon. Das willentliche System könnte dann ganz bewusst diese Fehleinschätzung korrigieren und die Maus etwas weiter rechts loslassen. Ich habs probiert und war dann überrascht wie nah ich so die wahre Mitte schätzen konnte.

Im Wesentlichen geht es Kahneman genau darum: Das willentliche System kann die Illusionen des automatischen Systems korrigieren und damit Situationen realistischer einschätzen und bessere Entscheidungen treffen. Langsames Denken und schnelles Denken können sich wundervoll ergänzen (auch wenn es Überwindung kostet und sich ungewohnt anfühlen mag). Das betrifft allerdings nicht nur die unmittelbare Wahrnehmung sondern auch andere Illusionen, die für uns eher praxisrelevant sind. Doch davon später.

Probiert die willentliche Korrektur des automatischen Denkens doch mal mit diesem Link zur Müller-Lyer-Illusion. Bin gespannt, wie es Euch damit geht?
 
Moin Kai,

uiui....es ist früh am Morgen und ich muss gestehen, ich verstehe "Bahnhof" - mein eher spontanes Unbewusstes erinnert sich an Nix ... und willentlich will ich zwar, allein, der Geist ist schwach. Dann also "automatisch"? Die Fehleinschätzung ist vorprogrammiert, mindestens 2cm daneben....:)Ich gehe nun halbautomatisch willentlich zum Teestand und DANN nochmal von vorn!

Danke lieber Kai!! Interessanter Ansatz!!
 
Moin Carola,

und nun versuch noch mal ganz bewusst diesen Fehler einzuplanen, bevor Du klickst.
Das fühlt sich vll etwas falsch an, und wie ist dann das Ergebnis?

Liebe Grüße, Kai
 
0,6 cm :)

wirklich sehr interessant!!

Liebe Grüße
Carola
 
Hmmm, 2 mal genau einen cm daneben, dann Fehler mit eingeplant und- tataaaa- 2 cm daneben. Also grad scheint eins der beiden Systeme völlig ausgesetzt zu haben (das, welches mir auch völlig verunmöglicht rauszufinden, in welche Richtung man die Uhr stellen muß wenn sich die Sommer- /Winterzeit wieder ändert und ob es dann später oder früher ist. Genauso fühlt sich das für mich grad an, wenn ich überlegen muß, wie ich den Fehler einplanen soll. GIbts da ne Erklärung bei Kahnemann?)
 
Mmh. Das willentliche System braucht wohl zunächst eine genaue Beobachtung der Situation. Wenn Du daneben lagst: war es zu weit links oder rechts? Wenn es also zu weit links war, versuch doch mal bewusst weiter nach rechts zu schieben. Interessant ist, wie sich das anfühlt.

Vll hat das willentliche System in manchen Themen einfach grad keine Lust sich anzustrengen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hab grad über meine rechts- links- Schwäche nachgedacht...offenbar war mein willentliches System grad wirklcih nicht dabei...
War beide male zu weit links.
Jetzt- mit Zuhilfenahme des willentlichen Systems war ich jetzt genau aufn Punkt. Sollte ich öfter mal einsetzen, das willentliche System...ich könnte das---wollen??
 
Wunderbar! :) Welche praktische Bedeutung hat das nun für uns HPP? Das kleine Beispielchen vll kaum, die darin bereits erkennbaren Eigenschaften des automatischen Systems und des willentlichen Systems dafür um so mehr. Kognitive Illusionen können nämlich genauso zu dramatischen Fehleinschätzungen führen. So fällt es uns beispielsweise leichter, Fehler bei anderen zu finden als bei uns selbst. Warum? Weil unser automatisches System wie alle Wahrnehmungssysteme daraufhin optimiert ist, Unterschiede festzustellen. Bei uns ändert sich meist nichts - also: alles in Ordnung. Und eine willentliche Selbstbeobachtung, die Suche nach dem blinden Fleck? Viel zu anstrengend. *grins

Ein anderes Beispiel, dass vll ein kritisches Licht auf manche Alltagsplaudereien werfen könnte: Rein intuitiv betrachtet, ist folgender Syllogismus wahr?
Rosen sind Blumen und manche Blumen verwelken schnell. Also verwelken manche Rosen schnell.
Man fühlt sich unweigerlich an altmodische Prüfungsfragen erinnert.

Das gleiche Schema, mit etwas anderen Worten:
Diese Maßnahmen gehören zum Marketing und manches Marketing schafft neue Kunden. Deshalb schaffen diese Maßnahmen neue Kunden.
Für Maßnahmen könnt ihr gern eine Würfelwerbung im Eispalast, die Tischdeckchen im Krankenhauskaffee, überregionale Internetanzeigen oder etwas anderes mit ungewissem Erfolg einsetzen.

Was rät uns unser automatisches System z.B. angesichts eines gewandten Verkäufers - und was kommt heraus, wenn wir das willentliche System heranlassen?
 
Moin (und es ist immer noch frühh, drum ist es mit dem willentlichen System so eine Sache :))

intuitiv - oder einfach schnell entscheiden - habe ich bei Bsp. 1 gesagt: richtig und bei Punkt 2: falsch

wenn ich anfange nachzudenken und zu analysieren und nochmals genauer hinzuschauen, muss ich differenzieren und komme am Ende zur Überlegung
Bsp. 1: falsch, selbst, wenn "manche" sich auf eine Menge beziht und nicht auf Blumenarten; denn es ist hier nicht nach Wahrscheinlichkeit gefragt :)
Bsp. 2: ganz falsch :)

Noch ein Beispiel zum Automatismus: Es gibt diese "Aufgabe", bei der sehr geschwind gewisse Fragen gestellt werden, und die Antwort ist stets: Weiss. die letzte Frage lautet dann: Was trinkt die Kuh??? :):)

Liebe Grüße
Carola Seeler
 
Die Sache mit dem Weiß ist ein wichtiges Beispiel für den Bahnungseffekt. Das wird auch sehr intensiv in mehreren Episoden von Kahneman behandelt. Doch zunächst noch etwas mehr zum Verständnis des automatischen Denkens. Es beschäftigt sich auch mit sehr rationalen Dingen. Ein solches Beispiel ist dieses hier:
Ein Tischtennisschläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Euro. Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. Intuitiv: Wie teuer ist der Ball?
 
Da kann ich nun mal gar nicht intuitiv sein...Mathe und Intuition passen in meinem Kopf nicht, meine Intuition rief nur laut daß es auf keinen Fall 10 ct sind...aber das war hier nicht gefragt, was das richtige Ergebnis ist, also darf sich mein willentliches System noch bißchen Zeit zum Aufwachen nehmen und für nen 2. Kaffee...
 
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