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Vom Umgang mit "Schuldfragen" in der Therapie

RWH

Rudolf
Forumsunterstützer
Heilpraktiker
Ort
Baden-Baden
Therapien
PSE, Komplexhomöopathie, Orthomolekulare Therapie, Dorn, Matrix-Rhythmus-Therapie und andere
Status
HP
Immer wieder liest man in Fachartikeln und auch Publikumsmedien von Themen wie "Krebspersönlichkeit" oder einfach der Frage, welche Lebensweise uns vor Krankheiten "schützt". Konsequenterweise übernehmen Kollegen gerne derartige Themen in die Therapie - und oft genug richten sie damit auch Unheil an.

Über den Unterschied zwischen "Schuldzuweisung" und "Gesundheitsförderung" hat Frau Petra Weiß von der Gesellschaft zur biologischen Krebsabwehr (ich bin da Mitglied) einen, wie finde, sehr eingängigen Text verfasst, den ich hier gerne wiedergebe. (Die Genehmigung zur Veröffentlichung durch die GfBK liegt mir schriftlich vor).

Zitat:

"Petra Weiß

Vom sensiblen Umgang mit der Verantwortung

Wenn jemand schwer krank ist, wenn seine Existenz bedroht ist, wenn er Angst hat und verzweifelt ist, dann sind Schuldgefühle wirklich das letzte, was er braucht.
Daher ist der Begriff der „Krebspersönlichkeit“ in den vergangenen Jahren sehr aus der Mode geraten. Will man dem Menschen in seiner misslichen Lage auch noch für sein Drama verantwortlich machen? Welche Motivation steckt dahinter, wenn Ärzte und Psychologen immer wieder nach Gemeinsamkeiten auf der Seeleebene bei Krebspatienten suchen?

Hier muss ein ganz grundsätzliches Missverständnis endlich aufgeklärt werden:
Schuld für die Ereignisse in der Vergangenheit und Verantwortung für das Handeln in der Zukunft sind nicht dasselbe! Es nützt niemandem, sich zu grämen für Dinge, die er einmal gemacht hat, und „Fehler“ in der Vergangenheit aufzuspüren. Ein geändertes Verhalten in der Zukunft aber ist ein hoffnungsvoller Ansatz für den Genesungsprozess. Die Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper sind mittlerweile durch unzählige Studien längst belegt. Hier gibt es eine komplexe Wechselwirkung. Die Beratung in der modernen Krebsmedizin will und muss diese Erkenntnisse berücksichtigen.

Lässt man den Einzelnen in seiner Würde, richtet sich der Blick dabei stets nach vorn und behält die individuellen Ressourcen im Auge.
Wir alle haben uns unsere Konstitution nicht ausgesucht. Wenn wir mit einer gesteigerten Abneigung gegen Veränderungsprozesse durchs Leben gehen, wenn es uns mehr Kraft kostet als andere, uns die innere Freiheit zu nehmen, die wir zum Atmen brauchen, dann war das nicht unsere ursprüngliche Wahl. Doch jeder – gleich welcher Veranlagung er ist - kann das Beste aus seiner Disposition machen. Wir haben ein großes Maß an Einfluss auf unsere seelischen Prozesse. Aber wir sind nicht allmächtig.

Es gibt sie immer wieder, die Beispiele von Menschen, die „alles richtig gemacht“ haben und trotzdem ein Rezidiv erlitten oder plötzliche mit Metastasen konfrontiert waren. Womöglich ging das Richtig-Machen-Wollen zulasten der inneren Freiheit und hat damit gleichsam auf der Seelenebene geschadet, auch wenn die ergriffenen Maßnahmen in vielerlei Beziehung hilfreich gewesen sind. Wenn man erkennt, wie komplex und verzwickt diese Zusammenhänge sind, löst man sich vielleicht von der Illusion von Richtig und Falsch.

Der Umgang mit der Frage nach dem Warum erfordert daher viel Feingefühl. Eine „Selber schuld!“ Haltung von Außenstehenden wächst meist aus der eigenen Angst vor der Erkrankung.

Wir kennen dieses Phänomen aus Vergewaltigungsprozessen. Erstaunlicherweise neigen vor allem RichterInnen zu Urteilen, in denen den Opfern aufgrund ihres Verhaltens eine Mitschuld zugewiesen wird. „Sie trug einen kurzen Rock und hohe Schuhe. Damit hat sie den Täter ja provoziert.“ klingt manchmal auch bei der öffentlichen Meinung mit. Damit bewahrt sich der Urteilende vor der Angst, selbst Opfer einer solchen Tat zu werden. „Ich trage keine hohen Schuhe zu kurzen Röcken. Mir kann das nicht passieren.“ läuft da unterbewusst ab.

Einen kleinen Richter haben viele von uns im Rucksack. „Ich rauche nicht (esse kein Fleisch, treibe Sport oder ähnliches). Mir kann das nicht passieren...“ schwingt bei den Gesundheitsaposteln oft aus tiefer Not mit. Ob die Neigung zum Verurteilen gesünder ist als das Rauchen, Fleischessen etc., bleibt fraglich.

Heilung und Gesundheit kann man eben nicht MACHEN. Es gibt Faktoren, auf die wir keinen Einfluss haben, wie die genetische Disposition oder Erlebnisse in der Kindheit. Doch es gibt auch Faktoren, auf die wir sehr wohl einwirken können. Auf diese sich zu konzentrieren, macht Sinn. Nutzen Sie in diesem Sinne die Anregungen zur Seelenentwicklung für sich. Vielleicht gelingt es Ihnen, die Krankheit als biographischen Wendepunkt zu betrachten, als Anlass zu wichtigen Schritten in Ihrem Leben.

Zitat: „Wenn man solche Wege geht ist das keine Garantie für eine Genesung. Aber man kommt sich selbst dabei ein Stück näher. Und manchmal geschieht dann - sozusagen als gewünschte Nebenwirkung – Heilung auf körperlicher Ebene.“ (Dr. György Irmey)

Zitat Ende.
- Ende Textes von Petra Weiss



Hier gibt es m.E. zwei wichtige Elemente, die auch für die Therapie sehr wichtig sind.

Zum einen ist es wichtig, den Blick nach vorne zu richten - nicht nach hinten. Schuldfragen gehören vor Gericht - denn da geht es um die Frage, wer muss den Schaden zahlen. Und das sollte in der Regel schon der sein, der ihn angerichtet hat.

In der Therapie oder anderen zwischenmenschlichen Bereichen wie Beziehungen sind Schuldfragen eher kontraproduktiv. Zum einen unterliegen sie sehr subjektiven Einschätzungen (jeder sieht sie aus der eigenen Perspektive) und zum anderen zerstören sie oft mehr, als sie nützen.

Viel wichtiger als das Wühlen im Müll ist daher die Frage, was kann man tun, um in Zukunft gesünder zu sein?

Wenn mir beispielsweise ein Raucher mit Lungenkrebs gegenübersitzt und mich fragt, ob er keinen Krebs hätte, wenn er nicht geraucht hätte, dann kann ich ihm die Frage nicht wirklich beantworten. Schließlich bekommen auch Nichtraucher Lungenkrebs. Und selbst, wenn ich die Frage mit Sicherheit beantworten könnte, was würde es nützen? Der Krebs verschwindet nicht, wenn man seine Ursache erkannt hat.

Aber, ich mache mit großer Wahrscheinlichkeit nichts falsch, wenn ich ihm sage, dass für seine Gesundheit besser ist, wenn er aufhört zu rauchen. Wenn wir also nach Möglichkeiten suchen, wie er seine Gesundungschancen verbessert.

Was für körperliche Aspekte der Gesundheit wie Bewegung, Ernährung, Genussmittel gilt, kann man auch auf die seelische Ebene übertragen.

Sicher, jeder kennt Menschen ("Fälle"), bei denen hinterher jeder sagt: "Klar, dass der Krebs gekriegt hat. Der hat sich noch nie getraut, mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen."

Nur, wie viele hauen mit der Faust auf den Tisch - und bekommen trotzdem Krebs? (oder statt dessen einen Herzinfarkt?).

Also auch hier gilt: Wir können nie mit Gewissheit sagen, dass wir eine Ursache gefunden haben, wenn jemand bestimmte Verhaltensweisen zeigt.

Aber, wir können mit ihm daran arbeiten, dass er in Zukunft mehr "gesunde" Reaktionen entwickelt. Gesund für ihn - nicht für mich!

Ich denke, gerade für Menschen, die unter schweren Krankheiten leiden, ist es sehr wichtig, dass man sie dabei unterstützt, ihre Stärken zu entdecken.

Das erfordert von uns Therapeuten, dass wir uns - und unsere Vorlieben - zurücknehmen. Und es erfordert auch, dass wir unsere Ideologien aus der Therapie rauslassen. Zumindest sollten wir uns darüber klar werden, dass es nicht Aufgabe der Therapie ist, Patienten in unserem Sinne umzuerziehen.

Jeder Therapeut, der unter Ideologien leidet, sollte dies auf einem Praxisschild an der Türe ankündigen, damit der Patient gleich weiß, was ihn erwartet. So könnte da z.B. stehen: "Ich glaube, dass Krankheit Strafe für Sünde ist" oder "Fleischfressern geschieht es ganz recht, dass sie krank werden".

Der Patient kann dann entscheiden, ob er sich in so ein Umerziehungslager begibt oder nicht.

In der Therapie setzt sich nicht nur der Patient mit sich, sondern auch wir mit uns auseinander. Häufig stoßen wir dann auf unsere eigenen "Kontroll-Illusionen", also die Annahmen und Rituale, mit denen wir unsere eigenen Ängste kontrollieren wollen, indem wir z.B. gesund leben, Nahrungsergänzungsmittel nehmen, zum Beichten gehen, kein Fleisch essen, keinen Alkohol trinken, Edelsteine ins Bett legen - oder was immer wir für notwendig halten, damit wir nicht krank werden oder anderweitig leiden müssen. In der Therapie werden wir dann z.B. damit konfrontiert, dass Patienten - obwohl sie gesund leben und obwohl sie meditieren und obwohl sie seit Jahren nur Naturheilmittel nehmen und nicht geimpft sind - trotzdem krank werden.

Das zeigt uns die Grenzen der Machbarkeit auf und kann uns helfen, in dem Sinne ganzer zu werden, als wir erkennen, dass es keine absolute Sicherheit gibt - und auch wenn wir alles "richtig" machen, bleiben wir sterblich.

Es gibt uns aber auch eine Form der Freiheit vom "Richtig-Zwang", eine innere Freiheit nicht alles "richtig" machen zu müssen und daher auch unsere Patienten in ihrer Individualität besser annehmen zu können und sie in ihrem persönlichen Weg begleiten zu können.

Wo die Ewigkeit endet beginnt die Unendlichkeit...
 
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